Gestresst vom unserem modernen Alltag vergessen wir oft, wie groß die Wirkung ist, die wir auf unser Gegenüber haben - vor allem zu Hause, wo wir meinen, den beruflichen und sozialen Zwängen entkommen zu sein. So kommt es, daß wir einerseits zum Beispiel die Angespanntheit unseres Gegenübers beklagen, und andererseits völlig übersehen, wie unfreundlich wir selber kommunizieren.
Dem anderen wirklich wohlwollend zu begegnen, und selbst, wenn man sich ärgert, die grundsätzlich wohlwollende Haltung dem anderen gegenüber beizubehalten - das ist ganz entscheidend für das Gelingen von Paarbeziehungen.
Gefühle beschreiben keinen Sachverhalt. Wenn ein Gefühl sehr stark ist, handeln wir meistens so, als ob es sich um eine Tatsache handeln würde: "Wenn ich mich vom anderen kritisiert fühle, muß mich der andere doch kritisiert haben - ich spinne doch nicht!" Auf diese Weise verwechseln wir unsere eigene emotionale Interpretation mit dem tatsächlichen Verhalten des anderen.
Das zu verstehen ist ein großer Schritt in eine erfülltere Beziehung. Wenn ich nach und nach lerne zwischen meinen reaktiven Gefühlen und dem Verhalten des anderen zu unterscheiden, entsteht die Freiheit, die jeweilige Situation auch ganz anders zu "lesen". Und damit gewinne ich neue Handlungsmöglichkeiten.
Die entscheidende Qualität, damit wir uns in Beziehung fühlen, ist Resonanz: Vom anderen verstanden werden, sich akzeptiert fühlen, das Gefühl, in Ordnung zu sein. All das berührt uns und erzeugt ein Gefühl der Verbundenheit.
Ob das nun eine interessierte Nachfrage ist oder ein zustimmendes Nicken, das spielt nicht unbedingt eine Rolle: Wichtig ist, mit dem Herz zu hören, was der andere sagt. Und wahrzunehmen in welcher Verfassung er oder sie ist.
Das bedeutet, für einen kurzen Moment in die Schwingung der Empfindung des anderen zu gehen, mich also innerlich berühren zu lassen. Als ob ich für einen Augenblick in das Gefühl meines Gegenübers hineinschlüpfen würde - das alles meine ich mit: Resonanz.
Ob wir wollen oder nicht - wir senden ständig Botschaften aneinander: Offensichtliche Signale, wie z.B. der Wunsch nach einer zärtlichen Berührung. Oder eine deutliche Abgrenzung, daß man seine Ruhe haben will. Noch wichtiger in einer Paarbeziehung sind aber die eher subtil wirkenden Signale: Die freundlich vorgetragene Bitte, etwas wegzustellen, signalisiert, daß ich in Ordnung bin und der andere mir zugetan ist. Während die unfreundlich vorgetragene Bitte genau das Gegenteil signalisiert.
Das nehmen wir im Alltag oft kaum wahr - sowohl als Sender wie als Empfänger von Botschaften. Im Verlauf einer Paartherapie geht es u.a. auch darum, sich das immer wieder klar zu machen. Und bewusst die Signale zu senden, die eine bessere Wirkung haben. Das zu beherzigen, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg in eine beglückende Paarbeziehung.
Wenn im Comic (oder in einer Komödie) deutlich gemacht werden soll, daß ein Paar in Schwierigkeiten steckt, fällt häufig der Satz "Du verstehst mich nicht!". Das ist dann sowohl Selbstkundgabe wie es gleichzeitig Aufforderung und Vorwurf ist. Alles gleichzeitig. Und führt zu nichts, außer Streit.
Ein - relativ simpler - Ausweg aus dieser Situation besteht darin, die Perspektive umzukehren: Verstehe ich dich? Denn die Brücke des Verständnisses kann immer von zwei Seiten gebaut werden. Wenn ich bereit bin auf mein Gegenüber zu schauen, kann ich - mit etwas Übung - erkennen, wo die Schwierigkeiten des anderen liegen. Und durch mein Verständnis dafür sorgen, daß ich am Ende doch verstanden werde.
In sehr vielen Situationen ist dieser Weg (diese Vorgehensweise) eine lohnende Alternative. Denn so komme ich einerseits ins Handeln und andererseits entsteht auf diese Weise Nähe. Statt mich schlecht behandelt zu fühlen, wende ich mich dem anderen zu. Das fühlt sich wesentlich besser an!